Latein und Englisch in der Sexta (Klasse 5)

"Lebensrettung" für Latein als erste Fremdsprache am Gymnasium?

von W. Schubert

 

(am Ende der Seite stehen weitere Texte zum Thema)



1) Die Vorgeschichte und die Problematik

In Nordrhein-Westfalen wird ab dem Schuljahr 2003/4 Englisch als sogenannte Begegnungssprache für alle Grundschüler ab dem drittem Schuljahr verpflichtend eingeführt werden. In mehr spielerischer Form sollen die Schüler und Schülerinnen [im Folgenden wird wegen der Vereinfachung beim Schreiben zusammenfassend der Begriff "Schüler" verwendet] die Sprache, die die heutige, moderne Welt prägt und mit der sie ja überall in Kontakt treten, kennenlernen. Mit dem Schuljahr 2005/6 werden in NRW also erstmals Schüler zum Gymnasium wechseln, die alle schon zwei Jahre lang mit Englisch in einfacher Form umgegangen sind und sehr wahrscheinlich eine affektiv positive Bindung zu dieser Weltsprache aufgebaut haben. Wie viele Schüler wird es dann wohl noch geben, die in der Sexta (Klasse 5) nach zwei Jahren Erfahrung mit einer modernen Kommunikationssprache die "Fremd"-Sprache Latein wählen? Faktisch wird Latein nicht mehr die erste Fremdsprache im eigentlichen Sinne sein (die Überschrift ist bewusst so formuliert: Latein als erste Fremdsprache am Gymnasium!). Man braucht keine prophetische Gabe, um vorhersagen zu können, dass man Latein in NRW spätestens im Jahre 2010 nur noch ab der Quarta (Klasse 7) wird lernen können. (Nebenbei bemerkt: Die Zahl der Gymnasien, die Latein als erste Fremdsprache am Gymnasium anbieten, ist sowieso schon geschrumpft; viele dieser Schulen haben zudem Probleme, eine lateinische Eingangsklasse kontinuierlich einrichten zu können und behelfen sich mit verschiedenen Notkonstruktionen.)
 

2) Ein Modell für die Zukunft (?!)

Meines Wissens gibt es in NRW schon seit drei Jahren einige Schulen, die einen Weg beschritten haben, der eine Lösung für das Problem bringen könnte. Auch wenn das im Folgenden zu erläuternde Modell möglicherweise eher dafür entwickelt worden ist, dass Schüler und Eltern sich bei dem Angebot des zusätzlichen Englischunterrichtes einfach sicherer fühlen, da es somit die Gefahr der "Einbahnstraße" Latein und die damit verbundene mögliche Problematik nicht mehr gibt, ist dieses Modell auf die vorliegende Thematik bestens zu übertragen:
In NRW wird die erste Fremdsprache am Gymnasium fünfstündig unterrichtet. Eine Variante des Modells sieht vor, dass auch die Schüler der Lateinklassen neben dem Lateinunterricht das Fach Englisch am Gymnasium übergangslos fortführen können (sie brauchen das Englische nicht für zwei Jahre zu "vergessen"). Dies wird dadurch erreicht, dass neben den fünf Stunden Unterricht in Latein noch zwei weitere Stunden Englisch in einer Arbeitsgemeinschaft unterrichtet werden. Der Begriff Arbeitsgemeinschaft ist wichtig, da es weiterhin juristisch nur eine Fremdsprache gibt, die versetzungswirksam ist (nämlich Latein). In den zwei Stunden Englisch werden zwar keine Klassenarbeiten im engeren Sinne geschrieben, jedoch können im weiteren Sinne Lernerfolgsüberprüfungen stattfinden. Der Erfolg der Teilnahme wird auf dem Zeugnis unter "Weitere Unterrichtsveranstaltungen" bescheinigt. Die Teilnahme an der Englisch-AG ist für alle Schüler verpflichtend, da ja alle Schüler der Klasse ab der der Quarta mit Beginn des regulären Englischunterrichtes als zweiter Fremdsprache auf dem gleichen Lernniveau sein müssen.
Eine Variante dieses Modells sieht vor, dass Englisch sogar dreistündig durchgeführt wird, wobei das Fach Latein dann eine Stunde abgeben würde (nur noch vierstündig). Die vorgeschriebene Stundenzahl wird durch einen Stundenausgleich mit Englisch in den späteren Jahren erreicht.

Variante 1:

               Stundenzahl pro Woche
Klasse     Latein     Englisch

5            5             2 (als Arbeitsgemeinschaft)
6            5             2 (als Arbeitsgemeinschaft)
7            4             4
8            4             4
9            3             3
10          3             3
 

Variante 2:

               Stundenzahl pro Woche
Klasse     Latein     Englisch

5            4             3
6            4             3
7            5             3
8            5             3
9            3             3
10          3             3

 
 

3) Erfahrungen mit diesem und anderen Modellen

Da es erst wenige Schulen gibt, die dieses oder andere Modelle durchführen, sind auch die Informationsmöglichkeiten recht rar - ein Umstand, dem unbedingt abgeholfen werden muss; ansonsten werden wir möglicherweise nicht merken, wie wir beim wackeren Ringen um die Legitimation des AU und beim Suchen nach neuen Lernkonzepten den Boden unter den Füßen unaufhaltsam verlieren. Diese Seite hier soll die Möglichkeit bieten, dass die Lehrenden ihre Erfahrungen mit den Modellen vorstellen und die Interessierten von diesen Erfahrungen profitieren können. Ich bitte um Zuschriften über die "Mailbox" (s.u.), die dann hier veröffentlicht werden.

Besonders folgende Fragen dürften auf großes Interesse stoßen:

- Wie sieht das Modell an Ihrer Schule aus?
- Wieviele Jahre ist das Modell schon erprobt worden?
- Welche Erfahrungen sind gemacht worden (positive / negative)?
- Welche Änderungen sind erforderlich gewesen?
- Wie ist die Kommunikation mit der Englisch-Fachgruppe gewesen?
- Welche Erfahrungen haben die Englischlehrer gemacht (evtl. auch mit dem regulär einsetzenden Englischunterricht)?
- Welche Lernmaterialien benutzen die Englischlehrer? Wie gehen sie vor?
- Wie war die Reaktion der Schüler und Eltern? Gab es Befürchtungen einer Überbelastung der Schüler? Ist diese auch tatsächlich auch
 festzustellen?
- Wie wurde das Modell von der Schulaufsicht aufgenommen?

 

 

Links auf weitere Seiten: 

Das Biberacher Modell [Reinhart] (bitte hier klicken)

Die Fächer Latein und Griechisch im Kontext der Grundschulfremdsprache [Reinhart] (bitte hier klicken)

Jahresbericht Latein und Griechisch Baden Württemberg [Reinhart] (bitte hier klicken)

Latein und Englisch in einem Zug

Eine neue Chance für Latein als erste Fremdsprache [Dr. Vomhof]